Den Ausgangspunkt der Arbeit bildete die Frage, wie es zu dem Umstand kommt, dass das zentrale Prinzip der frühen Informationsverarbeitung mittels Lochkarten aus einem Kunsthandwerk – und zwar der Muster- und Seidenweberei – resultierte. Beim Nachzeichnen der Historiographie der Lochkarte gelangte ich an einen Quellpunkt der Digitalisierung, welcher in der Neuzeit begründet liegt, am absolutistischen, französischen Hof. Hier, im Kontext der Höfe und durch diese initiiert, begann die Geschichte von Automatenbau, Kybernetik und Steuerung – hier wurden Kontrollmechanismen konstruiert, welche die Finger, Kiefer, Töne und Fäden von Musiktheatern, Flötisten, Enten und Webstühlen steuerten.
Dass es die Weberei war, in der die Lochkarte als erstes zum Einsatz kam, ist bekannt. Weshalb es jedoch die Weberei war und wie sie mit dem Automatenbau in Beziehung stand, war bislang nicht zum Gegenstand einer systematischen Erforschung gemacht worden. In meiner Arbeit wollte ich deshalb einen neuen Blick auf die Historie der Informationsverarbeitung werfen – auf die technokulturellen Kontexte als auch auf die ideengeschichtlichen Bedingungen der elektronischen Bilder.
Gewebe als Frühform digitaler Bildlichkeit zu betrachten, erlaubte ein struktureller Zusammenhang: Die Weberei steht für die tiefer liegenden Schichten der Wechselwirkungen zwischen Künsten und Medien, ist sie doch von einer speziellen, unauflösbaren Verschränktheit von Kunst und Technik bestimmt. Sie brachte von Beginn an in ihrer Struktur „gerasterte“ Muster und Bilder hervor, die heute als Pixelbilder der gängige Weg geworden sind, um Bilder zu digitalisieren. Ausgangspunkt meiner Arbeit bildete deshalb die Annahme, dass die Grundprinzipien technischer Bilderzeugung bei Geweben bereits verwirklicht waren. Dass es dann im 18. Jahrhundert die gewebten Bildträger waren, die in Lochcode transformiert wurden und es so zu einem Bildcodierung avant la lettre kam, machte eine Mediengeschichte des technischen Bildes anschlussfähig. Innerhalb dieser tauchte der Lochcode als erster maschinenlesbarer Bildcode auf. Die Analyse der Webereigeschichte brachte dabei das überraschende Ergebnis hervor, dass hier nicht so sehr Technik als Möglichkeitsbedingung von Kultur, sondern umgekehrt Kultur und Künste die Ideengeber einer so konsequenzenreichen Technik wie der Lochkartensteuerung waren.
Die Publikation ist im Juli 2007 im diaphanes Verlag erschienen.
ISBN 978-3-03734-007-3